Saarbrücker Zeitung

Erschienen: 22./01.2005 / SZ (Annemay Regler-Repplinger)

Einstein-Jahr 2005

„Menschen mit Widersprüchen“

Der Merziger Schriftsteller Gustav Regler besuchte im Jahre 1938 Albert Einstein in Princeton in den Vereinigten Staaten. Die Nichte von Gustav Regler, Annemay Regler-Repplinger, berichtet von dem Besuch und beleuchtet die Charaktere.

Jeden Tag rede ich mit Einstein. Nein, ich befrage nicht das „Einstein-Orakel“ via Computer, recherchiere auch nicht in einem der Zehn-Millionen-Einträge Einträge der Google Suchmaschine, sondern Albert leistet mir als „Office-Assistent“ Gesellschaft, sobald ich am PC zu schreiben beginne. Sie kennen das ja: er öffnet die Türe, er schlägt seine großen Augen auf, er schnarcht, wenn ich im (Word)Text zu lange Pausen mache, er steckt sich bildlich mein Manuskript in seine Jackentasche (ich bin geehrt) und verschwindet lautstark, vor allem wenn ich abrupt das Programm beende. Nur seine ständig nichtbestrumpften Beine zeigt er mir nicht. Die kann man aber auf diesem Foto sehen, als Gustav Regler 1938 Albert Einstein in Princeton /USA besuchte.
Das Jahr 2005 steht ganz im Zeichen des genialen Wissenschaftlers Einstein. Anlass dazu geben der 50. Todestag und das „Wunderjahr“ 1905,als Einstein als Experte III. Klasse am Patentamt zu Bern tätig war und im privaten Diskussionszirkel bei Wurst und Käse und Spaziergängen –ganz ohne Experimente- seine revolutionären Ideen entwickelte, die sich zunächst in der inzwischen berühmtesten Formel der Welt:E= mc² artikulierten. Die weitere Erfolgsgeschichte von Einstein steht hier nicht im Focus. Soviel nur: als Mensch mit vielen Widersprüchen, was man an Hand seiner Vita nachvollziehen kann, sehe ich Parallelen zum Leben meines Onkels. Als überzeugter Pazifist plädiert Einstein für den Bau der Atombombe, und die Physik nimmt er stets wichtiger wie die Liebe. Seine erste Frau Milva und sein uneheliches und die ehelichen Kinder bekommen dies zu spüren. Auch Gustav Regler gab seinen politischen und schriftstellerischen Tätigkeiten meist Vorrang. Ob Mieke, seine zweite Ehefrau, eine keineswegs robuste Person, während seiner Flucht bzw. seiner Abwesenheit an verschiedenen Orten, sich in ihrer äußerst schwierigen, oft auch gänzlich fremden Umwelt, ohne Familie und Freunde, zurecht fand, war seiner Ideale wegen zweitrangig. Zwiespältigkeit auch immer wieder zwischen dem Katholiken und dem Kommunisten Regler.
Wie kam es nun zur Begegnung zwischen Einstein und Regler? Einstein wurde 1932 eine Stelle am Institute of Advanced Studies in Princeton/USA angeboten und er verließ Deutschland, nachdem sich auch die Angriffe wegen seiner jüdischen Herkunft bereits häuften. Er lehrte und forschte dort bis zu seinem Tode 1955.
Der Merziger Gustav Regler hatte sich in seinem Kampf gegen den Faschismus, wie viele andere republikanische oder links eingestellte Schriftsteller, freiwillig zur Verteidigung der Spanischen Republik 1936 an die spanische Front gemeldet. Als Politkommissar in der 12. Internationalen Brigade nahm er unmittelbar am Kampf teil. Am 11.Juni 1937 wurde er bei Huesca schwer verwundet, fälschlicherweise sogar für tot erklärt. Tatsächlich genas er, war allerdings für den Fronteinsatz nicht mehr tauglich. Seinen ungebrochenen Einsatzwillen bewies Regler, nachdem er Spanien Anfang Dezember 1937 via Frankreich verlassen hatte, zunächst mit organisatorischen und propagandistischen Aktivitäten für die republikanische Sache. Im Auftrag der spanischen Regierung reist er dann Anfang 1938 in die USA, um für die Republik zu werben und für deren Sanitätsdienst Spenden zu erbitten und einzusammeln. Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt bei Hemingway begann Regler seine Vortragsreise in Washington, die ihn dann weiterführte nach Detroit, Buffalo und New York In seinen Briefen an Hemingway berichtete er stolz von den jeweils erfolgreichen Ergebnissen: “we had great dinner together. Collected 10.000 $.“
Ende März 1938 kommt es in Princeton zur Begegnung zwischen Einstein und Regler. In der Zeitung New Daily vom 1. April 1938 wird darauf mit einem Foto und dem Kurzkommentar eingegangen:
“CHAT. Prof. Albert Einstein is visited at Princeton by Gustav Regler, German Catholic writer, back from Spain where he fought for Loyalists.“
Warum Regler als deutscher katholischer Schriftsteller gewichtet wird, wie der Inhalt, die Dauer und das Ergebnis der Unterredung waren, bleibt bis dato unbekannt. Handelte es sich tatsächlich um ein “chat“, ein Plaudern, oder war es vielmehr ein chat up, ein Einreden?! Ungenau bleibt für mich auch die Aussage „Loyalist“. Man kann aber davon ausgehen, dass der Wissenschaftler nicht nur den Schriftsteller empfing, weil er deutscher Nationalität war oder weil dieser zwischenzeitlich durch die Unterstützung Hemingways auch eine gewisse Berühmtheit in der Neuen Welt erlangt hatte auf seiner Vortragsreise, sondern dass der jüdische Gelehrte sich mit seinem Besucher im Kampf gegen das Naziregime einig war. Im Mai kehrte Regler wieder nach Europa zurück, um seinen Spanienroman “Das große Beispiel“ zu vollenden. Ein Brief Reglers aus Montrouge bei Paris vom 30.10./ 1.11.1938 nach Princeton bezeugt einen weiteren Kontakt mit Einstein.
Wir werden in diesem Jahr 2005 noch viel von Einstein hören, lesen, erfahren. Auch ein wenig über Regler. Die Gustav-Regler-Preise der Stadt Merzig und des Saarländischen Rundfunks werden im Mai zum dritten Mal vergeben, es finden einige Begleitveranstaltungen statt und die Werkausgabe wird mit den Gedichten des Literaten weiter fortgeführt.

Die hervorgehobenen Zitate von Albert Einstein in diesem Text habe ich ausgewählt, weil sie auch Gustav Regler so gesagt haben könnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


„Nicht alles was zählt, kann
gezählt werden, und nicht
alles was gezählt werden
kann, zählt.“


„Wichtig ist, dass man nicht
aufhört zu fragen“.

Albert Einstein

„Phantasie ist wichtiger
als Wissen, denn
Wissen ist begrenzt.“

Annemay Regler-Repplinger ist die
Nichte von Gustav Regler

Im Internet
www.regler.name

 

 

AUF EINEN BLICK

 

Das Jahr 2005 hat die Bundesregierung zum Albert-Einstein-Jahr erklärt. Anlass sind der 100.Geburtstag der Relativitäts-theorie und der 50. Todestag des weltberühmten Wissenschaftler. 2005 gedenkt man an der Saar auch des Schriftstellers Gustav Regler . Die Stadt Merzig und der Saarländische Rundfunk vergeben am 29.Mai 2005 zum 3.Mal die Gustav-Regler-Preise. Gründe für die Nichte von Regler, Annemay Regler-Repplinger, die seit 1975 den Nachlass Ihres Onkels betreut, in Ihrem Gustav-Regler-Archiv auch via Internet zu recherchieren und von der Begegnung zweier Weltbürger zu berichten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gustav Regler, links, traf Albert Einstein in Princeton, USA. Dieses Foto von der Zusammenkunft veröffentlich die Zeitung Daily News am 1.4.1938.
Repro: Archiv Regler