Saarbrücker Zeitung
Erschienen: 30.03.2005 / SZ (Annemay Regler-Repplinger)
Die Königin der Demokratie und der Exilschriftteller
Regler und die Roosevelts
Der Merziger Schriftsteller Gustav Regler hatte Kontakte zu vielen Prominenten seiner Zeit. Seine Nichte Annemay Regler-Repplinger berichtet dieses Mal –nach Ihrer Einstein Schilderung, (SZ vom 21.Januar) über die Bekanntschaft zwischen Regler und Eleanor Roosevelt
Die „Grossen Drei“: Stalin, Churchill und Roosevelt (im Rollstuhl) treten derzeit in New York auf. Mit Hitler!
Im neuen Mel Brooks Musical „The Producer“ am Broadway allerdings. Mit der historischen Wahrheit nimmt man es dort nicht so genau, muß man auch nicht. Die Szenen „Springtime for Hitler“ fordern zu Lachstürmen heraus. Mir steckte aber was im Halse.
Die Realität vor 60 Jahren auf der Krim im Badeort Jalta vereinte die drei Männer in Gesprächen zu den weiteren Konstellationen im Nachkriegsdeutschland und den Perspektiven für eine Neuordnung in Europa. Die Ergebnisse und die Folgen sind bekannt.
Mein Thema ist die Frau an der Seite von Franklin Delano Roosevelt: Anna Eleanor Roosevelt und die Bekanntschaft von Gustav Regler mit dieser großen Frau. Sie gilt als eine der einflussreichsten Frauen des
20. Jahrhunderts. Aber sie war auch im buchstäblichen Sinne groß. Schon in jungen Jahren fiel sie durch ihre hohe, schlanke Gestalt auf. Weniger durch Schönheit. Gustav Regler sprach einmal von „ihrem gütigen Indianergesicht“.
In New York City 1884 geboren, verlor sie ihre Mutter bereits im Alter von 12 Jahren, 2 Jahre später den Vater. Die Großmutter in England übernahm daher ihre Erziehung. Dort lernte sie auch ihre große Schüchternheit zu überwinden und Selbstvertrauen zu entwickeln wie Biographen berichten. Nach der Rückkehr in die USA, der Eleanor mit Bangen entgegen gesehen hatte, machte sie bald die Bekanntschaft eines Vetters, es war Franklin D. Roosevelt, der sie 1905 ehelichte. Innerhalb von 12 Jahren gebar sie
6 Kinder. In ihrer späteren Autobiographie schildert sie sich selbst als angepasste „quiet and young society matron“.
Währenddessen startete ihr Mann seine politische Karriere, wurde in den Senat gewählt, wurde Unterstaatssekretär. Bis ihn und die Familie im Jahr 1921 ein schwerer Schicksalsschlag traf: Franklin erkrankte an Kinderlähmung, sodass er für mehrere Jahre aus der Politik ausscheiden musste. Eleanor Roosevelt war in dieser Zeit unermüdlich für ihn da. Ihre späteren sozialen Tätigkeiten und ihr Eintreten für verbesserte Gesetze für Behinderte stammen aus dieser persönlichen Erfahrung. Um das Interesse Ihres Mannes an Politik wach zu halten, ging sie selbst in die Politik, war Auge und Ohr für ihn. Franklin D. Roosevelt wurde 1928 Gouverneur von New York und gewann dann 1932 die Präsidentschaftswahlen, ebenso wie 1936 und 1944.Als Eleanor Roosevelt 1933 als First Lady ins Weiße Haus kam, verstand sie mehr als alle anderen etwas von den sozialen Bedingungen im Lande. In zahlreichen Vorträgen, Radiosendungen und Pressekonferenzen gab sie ihre persönliche Stellungnahme zu wichtigen Themen ab. „My Day“, eine täglich erscheinende Zeitungskolumne, die sie von 1935 bis kurz vor ihrem Tod 1962 verfasste und die in vielen Zeitungen in den USA veröffentlicht wurde ,beweist ihr Interesse ,ihre Klugheit und ihre Unerschrockenheit für jedes erdenkliche Thema. Um nur einige Beispiele zu nennen: “My Day“ vom 14.7.1939 behandelt die Prohibition, am 2.9.1939 schreibt sie über den Überfall auf Polen, Pearl Harbor thematisiert sie am 8.12.1941, die Juden in Europa am 13.8.1943,Apartheid am 2.12.1957. Besonders Frauenprobleme lagen ihr am Herzen wie: Frauen und Arbeit (5.8.1939), Frauen im Krieg (15.10.1943), Gleiche Rechte (14.5.1945).
So war ihr Augenmerk auch auf den Spanischen Bürgerkrieg gerichtet und als Gustav Regler 1938 für den spanischen Sanitätsdienst quer durch die USA zog, verpassten sie sich knapp. In meinem Gustav Regler Archiv befindet sich ein Brief aus dem Weißen Haus vom 30.April 1938 mit handschriftlicher Unterschrift von Eleanor Roosevelt, gerichtet an Paul Willert, Literaturagent und Sohn von Sir Arthur Willert, Leiter der Nachrichtenabteilung im britischen Außenministerium, in dem sie bedauert, dass sie Gustav Regler nicht getroffen hat, ihn aber hofft noch vor seiner Abreise zu sehen.
In einem Geburtstagsbrief an Eleanor Roosevelt Ende der 50er Jahre erinnert und bedankt sich Regler für die große Unterstützung, die sie ihm immer zuteil werden ließ. Sowohl seine Freilassung aus dem Camp Le Vernet und die Ausreise aus Europa 1940 kamen durch ihre Mithilfe zustande. Auch eine kleine Rente initiierte sie in den 40er Jahren für den Schriftsteller, als er fast mittellos in Mexiko lebte. Nach dem Krieg korrespondierte er mit ihr über die von Lady Willert vorgeschlagene Tätigkeit im Reeducations Programm, der Umerziehung in den Kriegsgefangenenlagern in Amerika.
Endlich, nach langen Jahren des Einreiseverbotes für den ehemaligen Kommunisten Regler in die USA, konnte er im Januar 1959 der Einladung von Eleanor Roosevelt zu einem Souper im kleinen Kreis folgen. Franklin D. Roosevelt war bereits im April 1945,wenige Monate nach dem Treffen in Jalta verstorben. Dies hinderte aber seine Witwe keineswegs daran, sich weiter zu engagieren, auch außerhalb der Macht des Weißen Hauses.1945 wurde sie amerikanische Delegierte bei den Vereinten Nationen, 1946 Vorsitzende der UN-Menschenrechtskommission. Viele Menschen suchten bei ihr Rat und Hilfe.
“Ein Tag bei Eleanor Roosevelt“, ein Funkmanuskript von Gustav Regler, für den Südwestfunk Baden-Baden verfasst und im Februar 1962 gesendet, berichtet über eine weitere Einladung in internationaler Abendrunde mit dieser Gastgeberin. “Alles ist ländlich, aber in einem bewusst gepflegten Stil, wie Republiken ihn schaffen....
Gleich beim Eingang finde ich eingerahmt in Holz einen Spruch, den der verstorbene große Hausherr, der hier nur F.D.R. genannt wird, so liebte, dass er ihn jedem Besucher als erstes vor die Augen hielt: Let me live in a house by the side of the road and be friend to men. (Lass mich wohnen in einem Haus dicht am Straßenrand und allen Menschen Freund sein)“.
Die Tafelrunde befasste sich mit weit gespannten Themenkreisen. Mrs Roosevelt und ihre Sekretärin Maureen Corr erzählten von einer Reise nach Florida „wo sich langsam etwas bewegt in unserem Süden“ wie Frau Roosevelt bemerkte. Bombendrohungen schrecken sie nicht ab, auch nicht ein strapaziöser Terminplan. “Mit Bomben sind keine Rassenprobleme zu lösen und Demokratie muss erlernt werden. Viele begnügen sich zu fühlen, statt zu denken, und sie fühlen falsch. Aber wir dürfen nicht nachgeben“ zitiert der Schriftsteller die Dame des Hauses.
Und Gustav Regler schließt seinen Bericht mit den Worten „Wie arm wird die Welt, wenn diese Frau nicht mehr sein wird... Sie war wirklich die Königin dieser Demokratie“.
AUF EINEN BLICK
Im Februar 1945 trafen sich in Jalta auf der Krim Franklin D. Roosevelt, Stalin und Churchill und führten Verhandlungen u.a. über die Behandlung Deutschlands nach Kriegsende.
Franklin D. Roosevelt (1882-1945) war von 1933 bis 1945 Präsident der USA. Eleanor Roosevelt (1884-1962), seine Frau, war Politikerin und Journalistin mit großem Engagement
Annemay Regler-Repplinger ist die Nichte von Gustav Regler und führt seit 1975, dem Jahr der Übernahme des Nachlasses von Gustav Regler, das Gustav Regler Archiv, welches sie in den folgenden Jahren bearbeitet und weiter ergänzt hat. Auch mit Vorträgen und Ausstellungen über ihren Onkel ist sie an die Öffentlichkeit getreten.
„Mit einem neuen Tag kommen neue Stärken und neue Gedanken“
Eleanor Roosevelt in “My Day” 8.1.1936
Internet www.regler.name
Eleanor Roosevelt mit Gustav Regler um 1960 in New York City
Foto: © Archiv Regler
“Hass und Gewalt können nicht nur in einem Teil der Welt sein, ohne eine Wirkung auf den Rest der Welt zu haben”
Eleanor Roosevelt in “My Day” 23.9.1940