Saarbrücker Zeitung
Erschienen 17.08.2005 / SZ (Annemay Regler-Repplinger)
Flucht ins Leben
Die Freunde Klaus Mann und Gustav Regler
Der Schriftsteller Gustav Regler hat in seinem bewegten Leben (1898-1963) viele Prominente kennengelernt. Zwei von ihnen - Albert Einstein und Eleanor Roosevelt – sind in der SZ schon vorgestellt worden. Dieses Mal sind Thomas Mann und die Seinen an der Reihe.
Thomas Mann ist eine Legende. Er wäre am 6. Juni 130 Jahre alt geworden und am 12. August ist sein 50. Todestag. Die starke Medienpräsenz des Autors führte mich zu einer anderen familiären Spurensicherung: zu Klaus Mann, seinem ältesten Sohn, der immer im Schatten seines berühmten Vaters stand und zu Gustav Regler, "dem begabten Freund".
Es war mit Sicherheit nicht das großbürgerliche und großstädtische Leben, welches Klaus Mann von Kindheit her kannte, was die beiden zusammenführte, sondern vor allem der gemeinsame Kampf gegen die Nazi-Barbarei. Aber auch ihre literarischen Ambitionen spielten eine Rolle. Regler hatte sich schon Mitte der 20er Jahre mit den frühen Publikationen von Klaus Mann beschäftigt, wie man seinen Tagebuchnotizen entnehmen kann. Ob ihn das skandalträchtige Leben der Dichterkinder Klaus und Erika Mann sowie ihrer Clique, mit den zahlreichen öffentlichen Provokationen, ebenfalls faszinierte, mag dahin gestellt sein.
Hatte Thomas Mann noch 1905 an seinen Bruder Heinrich geschrieben: „Ich empfinde einen Sohn als poesievoller, mehr als Fortsetzung und Wiederbeginn meinerselbst unter neuen Bedingungen“ und frohlockte bei der Geburt am 18.11.1906 „dass er vergnügten Herzens die glückliche Geburt eines wohlgestalteten Knäbleins vermelden kann“, so schmähte er 1925 nach dem Erscheinen des Homosexuellen-Romans „Der fromme Tanz“ von Klaus in dem Essay „Über die Ehe“ die Homoerotik als „Widersinn“ und „Fluch“. Und hatte doch selbst gewisse Neigungen!
Es brauchte eine lange Zeit, bis Thomas Mann sich auch offen 1937 zum antifaschistischen Engagement seiner zwei Ältesten bekannte. Und nach dem Erscheinen von Klaus Manns umfangreichstem Werk „Der Vulkan. Roman eines Emigranten“ (1939) gab er ihm endlich auch die lang erhoffte literarische Anerkennung: „Ganz und gar durchgelesen und zwar mit Rührung und Heiterkeit, Genuss und Genugtuung. Sie haben dich ja lange nicht für voll genommen, ein Söhnchen in Dir gesehen und einen Windbeutel “
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 emigrierte Klaus Mann über Amsterdam, Zürich und Prag nach Paris. Er befand sich damit im Zentrum der bedeutendsten Autoren des Exils. Im Amsterdamer Querido Verlag gab er von 1933 bis 1935 die literarische Exilzeitschrift „Die Sammlung“ heraus. Er gewann Autoren unterschiedlichster politischer Richtung wie Bloch, Brecht, Trotzki, Roth, Hemingway für die Mitarbeit im Sinne eines antifaschistischen Bündnisses. Querido ist auch der Verlag, in dem von Gustav Regler 1933 „Der verlorene Sohn“ und 1936 „Die Saat“ erschienen. Über erstgenannten Roman urteilte Klaus Mann in seiner Monatszeitschrift (Slg.1/1934 S. 214 f): „Aufsehen machen sollte der Roman eines jungen Autors[...]nicht nur bei allen, die es mit den Dingen des Glaubens noch ernst nehmen, sondern auch bei denen, die das Talent eines neuen Autors noch an seiner Sprache zu erkennen wissen. Es ist ein streng gebändigtes Pathos in seiner Diktion, eine hart leuchtende Farbigkeit.[...]Es ist klar: dieser hat wirklich und bis ins Tiefste gelitten an Fragen, von denen die meisten kalt gelassen werden“. Der Saar-Agitationsroman von Regler „Im Kreuzfeuer“ (1934) fand eine verständlicherweise einschränkendere Beurteilung durch ihn: “Freilich ist hier von der ersten Seite an spürbar, dass es dem Verfasser nicht so sehr auf die schriftstellerische Leistung ankam, als auf die politische Aktion“(Slg 1/1934 S. 675)
Doch im Abstimmungskampf an der Saar meldete sich auch Klaus Mann wie viele andere Intellektuelle zu Wort. Auch er unterzeichnete wie Gustav Regler den Aufruf: „Deutsche sprechen zu Euch! Saarländer![...] Stimmt für den Status quo! („Volksstimme“ v. 21.9.1934) Und nochmals wurden die beiden Autoren, dieses Mal zwangsweise, „vereint“. Auf der dritten Ausbürgerungsliste vom 1.11. 1934 ist Klaus Mann als Staatsfeind Nr. 12 und Gustav Regler als Staatsfeind Nr. 19 aufgeführt. Frick erklärte sie „der deutschen Staatsangehörigkeit für verlustig, weil sie durch ein Verhalten, daß gegen die Pflicht zur Treue gegen Reich und Volk verstößt, die deutschen Belange geschädigt haben“. Damit waren sie ausgebürgert und das Exil begann endgültig.
Der Vollständigkeit halber, kurz zurück zu einer weiteren Veröffentlichung in Amsterdam. Die Novelle von Regler „Der Tod in der Michaelskirche“ erschien dort 1934 (Slg 11/1934). Er hatte den Text im Rahmen eines Erzählwettbewerbs eingesandt und erhielt dafür den 2. Preis (und 150 Gulden) durch das Preisrichterkollegium, bestehend aus Klaus und Heinrich Mann sowie Bruno Frank.
Im gleichen Jahr rief „Väterchen Stalin“ nach Moskau zum „Ersten Allunionskongreß der Sowjetschriftsteller“. Zu den 800 Teilnehmern gehörten u.a. Gorki, Pasternak, Malraux, Gide, Kisch und O.M. Graf. Dieser, ein Villon und Pantagruel zugleich, wie Gustav Regler bewundernd feststellte, porträtierte mit Lust und Witz seine deutschen Kollegen. Klaus Mann sah er als den Exponenten einer überzüchteten Generation an, Regler als kommunistischen Katechet, womit er zu dem Zeitpunkt absolut Recht hatte .Klaus Mann fällte, im Gegensatz zu Regler, in seinem Tagebuch ein vernichtendes Urteil über die Lage der arbeitenden Bevölkerung unter Stalin. Die gedruckte Version seiner Eindrücke ist allerdings zustimmender, wenn auch nicht unkritisch. Und zum Freund ging er in seinem Lebensbericht „Der Wendepunkt“
(engl.1942/dtsch.1976) auf Abstand. Die eingangs zitierte Formulierung „Mein begabter Freund“ lautet vollständig: “... ist noch derartig kommunistisch, dass einem vor so viel militantem Glaubenseifer etwas ängstlich zumute wird.“! Das schwärmerische Bild vom Sozialistischen Realismus revidierte Gustav Regler später ja gründlich. (Erschreckt habe ich vor kurzem eine Meldung gelesen, dass bei einer Umfrage im heutigen Russland 47 Prozent der Befragten überzeugt sind, dass Stalin „eine positive Rolle in der Geschichte des Landes gespielt hat.“!)
Ein weiterer international viel beachteter Schriftstellerkongreß fand 1935 in Paris statt .Er wurde von Regler mitorganisiert .Dieser zählte auch zu den Referenten, ebenso wie Klaus Mann. Die flammende Rede von Gustav Regler, die von der Parteistrategie abwich, löste großen Beifall aus, führte später aber zu einem schriftlichen Tadel der Dogmatiker.
Das nächste Kampffeld stand an: der Spanische Bürgerkrieg. Gegen die Diktatur(en) sammelten sich Verbündete aus ganz Europa und dem Ausland. Hemingway war als Beobachter dabei, so wie später Klaus Mann und seine Schwester Erika, die sich Mitte 1938 als Kriegsreporter an der Front aufhielten. Regler war da schon - schwer verwundet - nicht mehr im Einsatz.
Es gilt die nächsten Jahre an dieser Stelle zu verkürzen. Die Freunde trieb das Weltgeschehen auseinander, der Briefkontakte wurde allerdings locker aufrechterhalten, auch gemeinsame literarische Pläne besprochen. Gustav Regler durfte nach seiner Flucht aus Europa nicht in die USA, während sich Klaus Mann und seine Familie dort schon länger frei bewegten, arbeiteten, Vorträge hielten. Klaus meldete sich im April 1942 zur US- Army, trotz seiner pazifistischen Grundhaltung, weil er nun auch als Soldat gegen das NS-Regime kämpfen wollte. Sein Einsatz verzögerte sich, weil er als Homosexueller und Kommunist denunziert wurde. Bis September 1945 war er in Nordafrika, Italien und Deutschland, lebte nach der Entlassung aus dem Armeedienst an ständig wechselnden Orten, unternahm mehrere Suizidversuche, seine Drogenabhängigkeit verstärkte sich, er fand keinen deutschen Verleger für sein Buch „Mephisto“, er fühlte sich ohne Freunde. An seiner politischen Heimatlosigkeit trug er ebenfalls schwer. “The Last Day“ -ein Manuskripttitel- ist der
21.5. 1949 in einem Hotel in Cannes/Südfrankreich. Klaus Mann vollzog seine Flucht a u s dem Leben selbst.
Annemay Regler-Repplinger, Nichte von Gustav Regler, führt das Gustav Regler Archiv.
Im Internet:
Internet www.regler.name
„ Ich glaube, dass es in Deutschland
in diesem Jahrhundert keine
bedeutendere, originellere und
interessantere Familie gegeben hat
als die Manns: Was den Briten ihre
Windsors, das sind den deutschen
Intellektuellen die Manns“
Marcel Reich-Ranicki 1987
Klaus Mann, obere Reihe 3.v.l. , Gustav Regler o.R. 2.v.l. mit Kollegen anläßlich des Schriftstellerkongreßes in Moskau, August 1934, vor der Glocke Zar-Kolokol im Kreml
Foto: Repro Archiv Regler
ZUR PERSON
Klaus Mann , (1906-1949) ältester Sohn von Thomas Mann, Schriftsteller, gründete mit seiner Schwester Erika und deren Mann, Gustav Gründgens und Pamela Wedekind ein Theaterensemble in Berlin, verlässt 1933 Deutschland, wird zum Sprachrohr einer internationalen antifaschistischen Publizistik. Ist 1938 Beobachter im Spanischen Bürgerkrieg, schreibt gemeinsam mit Erika 1939 "Escape to Life ",ein Manifest deutscher Kultur im Exil. Tritt 1942 in die US-Armee ein. Erreicht 1945 als Berichterstatter München. Tod am 21.05. 1949 in einem Hotel in Cannes nach einer Überdosis Schlafmittel. Hat zeitlebens wegen seiner Homosexualität von „Amts wegen“ Probleme. Seine bedeutendsten Werke sind: “Kind dieser Zeit“, "Mephisto", "Der Vulkan"; "Der Wendepunkt".
Thomas Mann , (1875-1955) Schriftsteller, verheiratet mit Katia Pringsheim, das Paar hat 6 Kinder. Verlässt ebenfalls 1933 Deutschland, lebt zuerst in der Schweiz, danach 1938 Übersiedlung in die USA. Gastprofessur in Princeton. Ab 1941 in Kalifornien im Emigrantenmilieu. Nach dem Krieg Vortragsreisen in beide Teile Deutschlands. Ab 1952 letzter Wohnsitz in Kilchberg bei Zürich. Stirbt am 12.08.1955. Literarischer Durchbruch 1901 mit dem Roman "Buddenbrooks". 1929 Nobelpreis für Literatur. Werke u.a.: „Der Zauberberg“, „Joseph u. seine Brüder“ “Lotte in Weimar“, “Felix Krull“.
Heinrich Mann , (1871-1950) Bruder von Thomas Mann,
Schriftsteller. Werke u.a.: “Professor Unrat“, historische Romane „ Henri IV“, Novellen, Essays