Saarbrücker Zeitung
Erschienen: 25.01.1993 / SZ (mi)
Auseinandersetzung mit der bildenden Kunst
Kunsthistorikerin Dr. Beate Reifenscheid referierte über Gustav Regler
Wie ein roter Faden zog sich die Auseinandersetzung mit der bildenden Kunst durch das Leben Gustav Reglers. Verdeutlicht in der Begegnung mit zeitgenössischen Malern, wie Heinrich Vogeler, HAP Grieshaber und anderen, fand dies auch in der eigenen literarischen Arbeit seine Niederschlag, so Dr. Beate Reifenscheid vom Saarland-Museum in Saarbrücken.
Die Kunsthistorikerin hielt am Donnerstagabend in den Räumen der Buchhandlung Regler in Merzig einen Vortrag mit Lichtbildern im Rahmen einer Veranstaltungsreihe anlässlich des 30. Todestages des Schriftstellers. In einer gemeinsamen Initiative von Stadtbücherei, Volkshochschule und Familie Regler wird der Versuch gemacht, anstelle stereotyper Huldigung einen neuen Zugang zum Menschen Gustav Regler zu erschließen.
Anhand des bisher unveröffentlichten Manuskripts „Uccello“ - Die Geschichte eines Raumbe-sessenen“ drängt sich ein solcher Zugang förmlich auf; zu augenscheinlich sind, so Annemay Repplinger-Regler, manche Monologpassagen, als daß man darin nicht den Menschen Gustav Regler erkennen könne, mit seinen lebenslangen Zweifeln.
Paolo di Dono, genannte Uccello, ein florentinischer Maler des 15. Jahrhunderts, erlebte den entscheidenden Umbruch des ausklingenden Mittelalters hin zur Renaissance, den Wandel des Bewußtseins der Menschen seiner Zeit. Künstlerischer Ausdruck dieses Wandels ist die Entdeckung der Perspektive und ihre Umsetzung in Malerei. Uccello war einer der ersten Künstler, der diesen Stilwechsel nutzt und in seinen Bildern die Menschen mit Individualität und Selbstbewußtsein ausgestattet in einem neuen Handlungsraum positioniert.
Regler verbindet in seinem Manuskript den zugrundeliegenden Erkenntnisprozeß mit einem inneren Kampf gegen Zweifel und Verzweiflung und macht ihn somit auch zu einem Arbeiten gegen den eigenen Unglauben. Regler lernte Uccello und seine Malerei während eines Aufenthalts in Florenz kennen, was ihn einmal abgesehen von der Faszination der Fresken und Bilder an der Figur des Uccello reizte, muß interpretiert werden.
Beate Reifenscheid nennt in diesem Zusammenhang Einsamkeit, vor allem die Einsamkeit im Alter, zeitgenössische Unbeachtetheit und die Konsequenz, mit der Uccello seinen künstlerischen Weg ging und dabei den Wandel zu einer neuzeitlichen Sichtweise mitgestaltete.
Somit wird Uccello von Regler als Besessener geschildert, dessen Aufgabe die Kunst selbst ist. Anhand vorgetragener Textpassagen und ergänzender Lichtbilder, die zum Teil noch von Regler selbst dem Manuskript beigefügt werden, wurde auch der Versuch gemacht, die kunsthistorische Dimension und die Sprachlichkeit Gustav Reglers zu deuten und zu vermitteln.