Saarbrücker Zeitung
Erschienen: 23./24.03.1996 / SZ (mz)
Gefühle, die die ganze Familie bewegten
Annemay Regler-Repplinger zur Diskussion Gustav Regler – „Weder Idealisierung noch Verdrehung von Tatsachen“
Merzig. Durch den Film „Brennendes Herz“ und den Vorschlag, eine Straße oder eine Schule nach dem Schriftsteller zu benennen ist Gustav Regler (wieder) zum Thema geworden. Seine Nichte Annemay Regler-Repplinger hat sich zu Wort gemeldet. Im folgenden ihre Stellungnahme:
Die öffentlich geäußerte Meinung von Willi Geier (SZ vom 19. März) zur neu entfachten Diskussion um meinen Onkel Gustav Regler, insbesondere aber die Aussage zur Familie, läßt mir keine andere Wahl, als ebenfalls öffentlich Stellung zu nehmen.
Als Augenzeugin halte ich fest: Die Nachricht vom plötzlichen Tod von Gustav Regler richtete Peggy Regler mit Telegramm vom 15. Januar 1963 an die Familie. Für die Übernahme der Urne in Frankfurt am 7. Februar 1963 fuhren die Schwestern, Marianne Schroeder-Regler, und Schwägerin, Maria Regler, sprich meine Tante und meine Mutter extra dorthin. Die Urne in Form einer geschnitzten kleinen Holztruhe wurde würdevoll, das heißt mit den üblichen „Garnituren“ in der Leichenhalle am alten Friedhof aufgestellt, in Anwesenheit der gesamten Familie (Archivfotos belegen dies), die bei der anschließenden Beisetzung am 9. Februar ebenso alle da waren, wie beim Sterbeamt am 12. Februar 1963. Und wenn in der Todesanzeige (SZ vom 19. Januar 1963) steht: „Freunden und Bekannten geben wir tief erschüttert Kenntnis von dem unerwarteten Ableben unseres Bruders Dr. Gustav Regler, im Namen aller Angehörigen Franz Regler...“ so kann ich nur bekräftigen, dass diese Gefühle uns alle wirklich bewegten. Auch ein mehrwöchiges Fenster unserer Buchhandlung mit dem Gesamtwerk von Gustav Regler „in memoriam Dr. Gustav Regler“ gilt es vielleicht in diesem Zustand zu erwähnen. Die Mär vom Umgang mit einem Toten ist damit – so denke ich – widerlegt.
Regelmäßige Besuche
Ein Wort noch zu dem in der Diskussionsrunde ebenfalls angeklungenen, angeblich weniger guten Verhältnis Gustav Reglers zur Familie, auch in den 50er und 60er Jahren.
Die politischen Ansichten und die Lebensläufe der beiden Brüder Gustav und Franz waren sicherlich lange Zeit verschieden. Der Zweite Weltkrieg ließ dann den Kontakt zum Saarland und der Familie völlig abreißen. Ein Neubeginn der Beziehungen ergab sich aber wieder ab 1946, zunächst in schriftlicher Form und dann bei seinem ersten Besuch in Europa 1949. Merzig und die Familie waren seine erste Station, und auf Initiative meines Vaters hielt Gustav Regler Anfang November 1949 einen Lichtbildervortrag im Kreise von Bekannten. Er wurde Pate meiner Schwester (geboren 1951!), er besuchte uns hier über Jahre hinweg regelmäßig für mehrere Tage, nahm an diversen Familienfesten teil.
Ich habe nur ein meist harmonisches Miteinander in Erinnerung. Dabei spielte wohl – verkürzt gesagt – die Altersweisheit der beiden eine entscheidende Rolle, ebenso aber auch das gemeinsame starke Interesse für Literatur und Kunst. Und für die, die es immer noch nicht wahrhaben wollen, sei die handschriftliche Widmung im „Ohr des Malchus“ zitiert: „Für Franz, der ebenfalls Grenzen haßt und keine „Erbfeinde“ zuläßt, und das Familienhaus in einen heimlichen Palast umgewandelt hat – Gustav“. Verkehren so feindlich’gesinnte Brüder miteinander?
Ansonsten:
·Zur Spezialthematik „Renegat/Spitzel/Lager/Vernet“ verweise ich hier nur für Interessenten auf die sachlichen und abwägenden Ausführungen von Dr. G. Scholdt in „Gustav Regler – ein saarländischer Weltbürger“ Seite 160-165.
·Zum Stichwort „Spanienkrieg“ haben inzwischen schon andere eine Geschichtslektion erteilt.
Das Buch von Dr. G. Rupp halte ich für notwendig und wichtig, weil es einen besonderen Aspekt, das heißt die Religiosität bzw. Religionskritik Gustav Regler analysiert.
·Der Spielfilm „Brennendes Herz“ wird den Lebensdaten seines Protagonisten gerecht. Gewisse Umsetzungen haben mich zwar etwas irritiert, aber der Film ist nützlich und vermittelt hoffentlich, vor allem einer jüngeren Generation, einen exemplarischen Lebenslauf in bewegten Zeiten.
Darüber hinaus sind sicherlich auch andere wie ich der Meinung, dass eine Polarisierung auf parteipolitischer Ebene nicht die Basis sein darf, auf der man heute und in Zukunft mit Gustav Regler umgehen sollte. Die Ewiggestrigen sind nicht mehr gefragt! Sachlichkeit und Seriosität sollten statt dessen die Grundlagen einer jeden Analyse sein.
Ich selbst bin weit entfernt davon, mir eine Idealisierung des Lebens und Wirkens meines Onkels zu wünschen. Ich wünsche mir jedoch auch keine Verdrehung von Tatsachen.