Saarbrücker Zeitung
Erschienen: 23.06.1998 / SZ (mi)
Frauenschicksal, ein Beispiel
Ausstellung zeichnet Lebensweg Marie Luise Vogelers nach
Marie Luise Vogeler, älteste Tochter des Jugendstilkünstlers Heinrich Vogeler, wurde die zweite Frau Gustav Reglers und seine Begleiterin an den wichtigsten Stationen seines Lebens. Ihr ist eine Ausstellung in der Merziger Fellenbergmühle gewidmet, die am Freitag abend eröffnet wurde.
Die Ausstellung versucht, ein Frauenschicksal zu beleuchten, das beinahe in Vergessenheit geraten und doch bezeichnend ist für die erste Hälfte dieses Jahrhunderts. 1901 auf dem legendären Barkenhoff in Worpswede geboren, lernte Mieke, wie sie von der Familie und von Freunden genannt wurde, 1928 den Schriftsteller Regler kennen und lieben und folgte ihm 1933 ins Exil. Typisch nicht nur für damalige Zeit, dass Mieke ihre eigene Karriere zurückstellt und ihr Leben den Zwängen unterordnet, die sich aus Reglers Arbeit und politischer Betätigung ergeben. Als Kind wuchs sie unter Malern und Schriftstellern auf, nach ihrer Ausbildung zur Goldschmiedin und nach dem Studium an der Kunstgewerbeschule in Bremen begann sie mit ersten eigenen Entwürfen und der Anfertigung von Schmuckstücken, Teppichen, Kleidern und kunstgewerblichen Arbeiten. In der Merziger Ausstellung sind die Exponate zu sehen, die Krieg, Verfolgung und Exil überdauert haben. „Die Ausstellung soll dem Besucher aber nicht nur einen Eindruck ihrer Kunst vermitteln“, sagte Annemay Regler-Repplinger. Die Nichte Reglers hat die Ausstellung, die seiner zweiten Frau gewidmet ist, selbst konzipiert. „Es soll anhand unterschiedlichster Ausstellungsstücke auch ein Eindruck von dem Lebensweg und der Lebensgeschichte Miekes vermittelt werden, die 1945 in Mexiko starb.“ Briefe, Fotos, Dokumente, Texte, persönliche Gegenstände und Requisiten sind zu sehen und mit ihrem jeweiligen zeitlichen und inhaltlichen Bezug zusammengefasst. Das Ausstellungskonzept folgt einer Grundidee. Die drei Lebensräume der Marie Luise Vogeler: Worpswede, Zwischenwelten und Mexiko. Die Ausstellung beruht auf Leihgaben aus Familienbesitz, die wohl niemals wieder in dieser Zusammenstellung zu sehen sein werden.
Die Ausstellung ist noch bis zum 12. Juli täglich von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Unmittelbar vor Eröffnung der Ausstellung hielt Hans-Joachim Krenzke, Publizist aus Magdeburg einen Vortrag über Mieke Vogeler: „Vom stillen Teufelsmoor ins Getriebe der Weltgeschichte“. Krenzke beleuchtete darin die Lebensgeschichte anhand biographischer Daten und stellte immer wieder den Bezug zur Zeitgeschichte her.
Krenzkes Vater selbst hat im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Internationalen Brigaden gekämpft und wurde etwa zur selben Zeit wie Regler verwundet. „Wer sagt mir denn, dass mein Vater nicht neben Regler im Krankenbett lag“, mußtmaßt Krenzke, der sich durchaus vorstellen kann, dass Mieke, nicht nur – wie bekannt – ihren Lebensgefährten, sondern auch andere Verwundete gepflegt hat.